Donnerstag, 31. Oktober 2019

Anna - Auszug aus "Tagträume" von der Lesung am 06.10.19 in der Stadtbüc...





Am 06. Oktober 2019 habe ich in der Stadbücherei Kierspe zum ersten Mal eine Lesung nur über mein zweites Buch "Tagträume" gemacht. Von dieser Lesung gibt es nun das erste Video mit dem Kapitel "Anna" zu sehen.



Hier der vollständige Text des Kapitels "Anna":



Anna

Wir machten damals Urlaub in Südspanien.
Es war ein schöner Urlaub. Viel Sonne, Entspannung, leckeres Eis und Sonnenschirme.
Wir wohnten in einem Haus welches nicht weit entfernt vom Meer war.
In fünf Minuten war man am Strand und jeden Morgen konnte man die Sonne golden über dem Meer aufgehen sehen.
Abends aßen wir meistens draußen auf dem kleinen Balkon.
Es war angenehm warm, nicht so wie mittags, wenn die Sonne auf uns knallte und man kaum rausgehen konnte.
Die Meeresluft war frisch und duftete auf uns herab während wir Paella und iberischen Schinken aßen.
Nach dem Abendessen gingen wir meistens runter zum Strand
und schlenderten die Straße entlang.
Die Luft war erfüllt von warmen Männerstimmen, frischen Fischgerichten
und dem salzigen Meer.
Direkt am Anfang der Straße befand sich ein Lokal.
Tagsüber gab es hier Eis aus der Tiefkühltruhe und heiße Getränke.
Abends jedoch verwandelte es sich in ein schickes Restaurant in dem Fleischgerichte,
Suppen und allerhand Meeresspezialitäten aufgetischt wurden,
für die Kinder gab es auch Pommes.

Eines Abends waren wir dort mit unseren Eltern essen. Es war einer unserer letzten Tage.
Die Stimmung war gut. Wir redeten und spielten Karten um uns die Zeit zu vertreiben.
Das Restaurant war gut gefüllt.
Um uns herum saßen allerhand Spanier, redeten, tranken Wein und knackten Muscheln.
Ich fand den Gedanken widerlich das Innere einer Muschel zu essen
und dennoch faszinierte es mich.
An
unseren Nachbartisch gesellte sich irgendwann eine Familie.
Ich konnte sie direkt als Nicht-Spanier identifizieren. Alleine schon an der Bräune.
Für mich wirkten Spanier immer echt-braun,
während Deutsche entweder kreidebleich wirkten (so wie ich damals)
oder eben rot-verbrannt. Beides nicht unbedingt schön, aber mich hat es damals nicht gestört.
Die beiden Kinder, die sich jetzt mit ihren Eltern an den Nachbartisch setzten,
waren zudem blond.
Sie waren etwa in meinem Alter, die Größere ein wenig älter wie ich vermutete.
Ich hielt mich nicht lange mit ihr auf.
Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf ihre Schwester.
Sie war etwa einen halben Kopf kleiner, während ihre Haare ebenso blond waren
wie die ihrer Schwester, jedoch nicht glatt, sondern an den Enden leicht gelockt,
eine Eigenschaft die mir auf Anhieb gefiel. Ihr Gesicht wirkte jung und frisch.
Ihre Mundwinkel waren dauerhaft zu einem leichten Lächeln aufgestellt.
Sie wirkte sehr offen, als würde sie das Leben leicht nehmen,
wenn auch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit.
Wie sie ihr Leben gestaltete erfuhr ich an diesem Abend nur zum Teil.
Insofern war vieles was ich in ihr sah nur eine Vermutung.
Meinen Geschwistern und mir wurde irgendwann langweilig.
Das Essen war immer noch nicht da.
So gingen wir nach draußen an den Strand,
versuchten Steine möglichst weit in die mittlerweile dunklen Wellen zu werfen
und überlegten, ob wir uns noch an dem naheliegenden Kiosk etwas kaufen sollten.
Ich hatte sie nicht vergessen, während wir draußen am Strand standen
und Steine wie Vögel auf das Meer hinaus flogen.
Irgendetwas war besonders an ihr, meine Gedanken klebten an ihr,
als hätte sie mich hypnotisiert. In gewisser Weise hatte sie das auch.
Ein Teil von mir wünschte sich, sie würde zu uns herauskommen,
obwohl ich nicht wusste was dann geschehen sollte.
Mein Wunsch wurde mir schnell erfüllt. Manchmal ist es das so.

Ich sah, wie sie und ihre Schwester ebenfalls das Restaurant verließen
und sich ebenfalls in Richtung Strand bewegten.
Ein wenig schüchtern blieben sie einige Meter von uns entfernt stehen.
Da meine Geschwister und ich ebenfalls nicht wussten was wir sagen wollten,
warfen wir zunächst einfach weiter Steine ins Wasser und taten so als ob sie nicht da wären.
Irgendwann fragte die ältere Schwester, ob sie beide mitmachen könnten.
Ich sagte zu und erklärte ihnen kurz die „Spielregeln“.
Eine Zeit lang warfen wir schweigend Steine,
nur unterbrochen von einzelnen Lauten des Erfolges,
wenn wir es schafften einen Stein besonders weit hinaus in die Wellen zu schleudern.
Ich versuchte sie die ganze Zeit nicht anzuschauen,
betrachtete sie jedoch immer wieder aus meinen Augenwinkeln.
Sie stand direkt links neben mir. Ihre Blicke
wirkten konzentriert wenn sie warf, doch stets sah ich ihre leicht gehobenen Mundwinkel.
Es war dieser Blick an ihr, der mich faszinierte.

Als ich gerade einen Stein besonders weit geworfen
und einen kleinen Jubelruf abgegeben hatte, sprach sie mich an.
Ihre Stimme war hell und es schwebte die gleiche Freundlichkeit darin wie in ihrem Blick:
„Kommt ihr auch aus Deutschland?“
Ich blickte zu ihr, leicht aus dem Konzept gebracht, da ich direkt in ihre Augen schaute.
„Ja, wir machen hier Urlaub.“,
antwortete ich mit einer leichten Unsicherheit in der Stimme
und versuchte ihr zu beschreiben
in welcher Region Deutschlands sich unsere Heimatstadt befand.
„Ja, das kenne ich. In der Nähe von euch waren wir mal in dem Freizeitpark.
Wir kommen aus Eisenberg. Das liegt unterhalb von Berlin.“
Erst später als ich nach dem Urlaub in unserem Weltatlas blätterte
und mehrere Minuten verzweifelt nach diesem Ort unterhalb von Berlin suchte,
bemerkte ich irgendwann, dass sich Eisenberg in Thüringen
und damit eher in der Nähe von Leipzig als von Berlin befand.

Damit jedenfalls war das Eis gebrochen.
Wir unterhielten uns über unsere Stadt, die Schule, den Urlaub und andere Sachen,
über die man in solchen Momenten so redet.
Ich fühlte mich sehr wohl während dieser Zeit.
Ein merkwürdiges Gefühl hatte sich in mir breit gemacht
und mir war klar, dass sie der Grund dafür war.
Ihr Name war Anna, sie war exakt in meinem Alter, allerdings ein paar Monate jünger.

Für mich war es ein magischer Abend.
Leckeres Essen, die kühle Meeresluft im Schatten der golden schimmernden Laternen
und bei mir dieses Mädchen.
Wir unterhielten uns den Abend über, spielten zusammen mit unseren Geschwistern,
nur unterbrochen von dem wirklich leckeren Essen.
Sie wirkte so unnahbar, so makellos für mich an diesem Abend.
Sanfte Meeresbrisen verfingen sich in ihren Haaren
und trugen in der Nacht meine Gedanken zu ihr.
Der Traum war warm und behaglich.
Wie ein frisch bezogenes Bett wickelte er sich um mich,
deckte mich ein in federweichen Kissen
und umhüllte meinen Kopf mit ihrem Lachen.
„Kommt ihr auch aus Deutschland?“
„Ja. Anna.
Was für ein Zufall, oder?
Ich möchte dich wiedersehen.“

Ich sah sie nie wieder.
Doch sie blieb noch einige Zeit bei mir, bis neue
Gedanken sie fortspülten wie Kieselsteine am
Ufer.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Zeitungsartikel und Bilder zur Tagträume-Lesung vom 06.10.19

Vielen Dank für den schönen Literaturabend in der Stadtbücherei Kierspe und danke auch für 61€ Spenden, die an diesem Abend zusammen kamen.
Die Meinerzhagener Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom 9. Oktober einen Artikel darüber veröffentlicht. Außerdem gibt es noch einige Bilder von dem Abend zu sehen.