Dienstag, 16. Dezember 2014

Und wenn ich dich fragte

Als der Lehrer einmal später kam,
es war im Sommer, heiß und warm.
Schaute ich an dem dichten Grün der Bäume
vorbei aus dem Fenster.
Als der Lehrer einmal später kam
wurden wir rasch umgesetzt,
es wurd geschoben und gehetzt.
Und am Ende war mein Platz in der 3. Reihe,
nahe der Tür.
Als der Lehrer einmal später kam,
saß ich plötzlich neben dir.
Und das Schicksal hielt uns hier.
In Partnerarbeit schauten wir auf die Tafel
um uns herum nur das Schülergeschwafel

Es hatte sich was verändert
und es hielt sich bis November
und überlebte auch den Winter
weil du so wunderschön warst.

Und wenn ich dich fragte hatten wir etwas in Mathe auf,
wollte ich dich eigentlich fragen: Liebst du mich?

Wie ein Vorhang der beiseite geschoben wird,
an einem Samstagmorgen im Frühling wenn die Vögel zwitschern,
so ist es mir wenn du deine Haarsträhnen hinter die Ohren legst,
ganz geistesabwesend,
um dich besser konzentrieren zu können.
Wenn die Sonne sanft die Erde wachküsst,
hoffe ich dich heute wiederzusehn
und nichts habe ich so sehr vermisst,
wie endlich wieder in die Schule zu gehen.
Und wenn die Sonne den Himmel in ein rosanes Licht taucht,
frage ich mich wozu man nur eine Nacht braucht.
Abends lieg ich im Bett, mach Hausaufgaben und sag
wenn ich dich gesehen habe, dann wars ein guter Tag.
Und ich träum noch von so vielen freien Stunden
mit uns beiden, ist doch klar,
doch in deinen freien Stunden, liest du für den Deutsch-LK.
Oder redest mit deinen Freundinnen, unnahrbar für mich,
doch manchmal drehst du dich um und ich seh dein Gesicht.

Und wenn ich dich fragte: Hatten wir etwas in Bio auf,
wollte ich dich eigentlich fragen: Liebst du mich?

So wurde es Frühling,
das Licht strahlte länger abends vom Horizont
ich übte mich ganz ungekonnt in allen Fächern
wo du schlecht warst
nur um dir im Unterricht meine Hilfe anbieten zu können.
Die Worte die wir wechselten betrafen kaum das Wetter,
doch in meinen Träumen war ich immer nur der Retter
und seien es Gleichungen die du nicht lösen konntest.
Dir allein zu helfen wurde mir zum Contest.

Und wenn ich dich fragte hatten wir etwas in Englisch auf,
wollte ich dich eigentlich fragen: Liebst du mich?

Doch all das wird nichts helfen,
ich merkte meine Zeit läuft ab.
Bald sitze ich woanders
es hätte nicht geklappt.
Am letzten Tag im Sommer,
da trat ich leis hervor
zum Abschied schrien Schüler,
voll Freude an mein Ohr.
„Schöne Ferien“
waren ihre Worte
als wir uns ein letztes Mal sahn
heute ist an diesem Orte,
die Wiese voller Löwenzahn.

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Adventseinkauf

Bastian hob den Kopf tief in seinen kalten Nacken. Einige Schneeflocken flogen ihm in den Mund. Nun konnte er das ganze Kaufhaus sehen. 9,95€. Er stand davor. Direkt vor dem Backshop und neben dem Schuhladen. Er hatte sich das genau gemerkt, als er das letzte Mal hier war.

Die erste Frage, die er sich stellte war, ob der Mann wohl das war, was er bislang von solchen
Leuten gehört hatte.

Er stellte sich vor, wie er die Rolltreppe hochfahren würde. Er würde bis ganz nach oben fahren, vorbei an den Anziehsachen. Vorbei an den Uhren und den goldenen Armbändern. Immer weiter, ganz allein. Die Mutter war im Schuhladen nebenan.

Eine alte dreckige Mütze war auf sein klägliches Gesicht gezogen. Er sah nicht gut aus

Ganz oben, am Ende der Rolltreppe, würde er scharf Links gehen. Dann die 3. Reihe rechts auf der linken Seite, direkt auf Augenhöhe. Er wusste schon, wo links und rechts war. Tom hatte es ihm letztens beigebracht. Er war bereits hier gewesen. In derselben Etage, in derselben Reihe. Es war das erste Mal, das er ganz alleine etwas kaufte.

Ganz alleine. Alles, was der Mann hatte war eine löchrige Decke. Seine Haut verriet ihm, dass er wohl schon oft ähnlichen Temperaturen, wie diesen ausgesetzt war.

Aus dem Eingang ging jetzt eine Frau heraus. Vielleicht war sie es, die gerade den letzten Karton eingepackt hatte. Vielleicht hatte sie 9,95€ bezahlt. Bastian schob seinen Handschuh aus und griff in seine Hosentasche. Der Schein war noch da. 5 Cent Rückgeld würde er bekommen, das hatte er bereits ausgerechnet.

Es schien ihm plötzlich, als säße er mitten in der Fußgängerzone. Zwischen all den vorbeigehenden Leuten, mit großen Plastiktüten und schnellem Schritt. Er dachte daran, wie Tom einmal von ihnen erzählt hatte: „Das sind doch alles nur Säufer. Die haben einfach keinen Bock zu arbeiten.“ Auch hatte er erzählt, dass sie immer aus dem Mülleimer essen und unter Brücken schlafen würden.

Bastian fröstelte im Gesicht. Er war jetzt gerade einmal eine halbe Stunde in der Kälte. Im Kaufhaus war es warm. Außerdem würde seine Mutter gleich kommen. Er wollte es endlich auspacken. Nach dem so langer Zeit, wollte er es endlich selber haben. Er wollte selber damit spielen dürfen, nicht nur ganz kurz, wenn Tom es ihm erlaubte. Seine Hand, in der der Schein zerknüllt war, verkrampfte sich. Noch immer stand er vor dem Kaufhaus.

Der Becher war fast leer.

Ein letztes Mal blickte Bastian nach oben. Schneeflocken flogen ihm in den Nacken und schmolzen auf seinem Rücken. Er drehte sich und ging in den Backshop. Er bezahlte 38 Cent.


Diese Kurzgeschichte findet man auch in meinem ersten Sammelband.
 

Montag, 8. Dezember 2014

Staatenlos (nach: Atemlos durch die Nacht - Helene Fischer)

Wir ziehen durch die Straßen
sind noch müde und platt
diese Reise hat uns richtig müde gemacht
Ohoo, ohoo

Ich schließe meine Augen
seh die Bilder im Nu
auf meinem Arm die Narben
wie ein Liebestattoo
Ohoo, ohoo

Was mit diesem Land auch ist
Bilder die man nie vergisst
Und ihr Blick mit mir gezeigt,
es bleibt keine Zeit.

Staatenlos durch die Nacht,
bis ein neuer Tag erwacht.
Staatenlos, einfach raus
und das Leiden ist nicht aus.

Staatenlos durch die Nacht,
spür was Fremdhass mit uns macht.
Staatenlos, vogelfrei,
ein paar Nazis komm' vorbei:

Du bleibst hier nicht ewig,
keine Drecksausländer!
Alles was wir wollen
ist weg mit dir.

Du bleibst hier nicht ewig,
gehst hinter die Grenze.
Komm nimm meine Hand,
ich zeig sie dir.“

Ich hab ne alte Jacke und ein bisschen Geld,
dein Foto ist nur das was uns zusammenhält
Ohoo, ohoo

Schlafen hier zu 100, haben ein Dach doch kein Haus
keiner fällt uns in die Arme, keine Tür geht hier auf.
Ohoo, ohoo

Alles was ich will ist da,
nur die Freiheit, schon ganz nah
doch man will uns hier schnell weg
weil ich das Land verdreck'

Staatenlos durch die Nacht,
spür was Fremdhass mit uns macht.
Staatenlos, vogelfrei,
ein paar Nazis komm' vorbei:

Du bleibst hier nicht ewig,
keine Drecksausländer!
Alles was wir wollen
ist weg mit dir.

Du bleibst hier nicht ewig,
gehst hinter die Grenze.
Komm nimm meine Hand,
ich zeig sie dir.“

Staatenlos.
Ich spür Blut auf meiner Haut.

Staatenlos durch die Nacht,
spür was Fremdhass mit uns macht.
Staatenlos, vogelfrei,
ein paar Nazis komm' vorbei:

Du bleibst hier nicht ewig,
keine Drecksausländer!
Alles was wir wollen
ist weg mit dir.

Du bleibst hier nicht ewig,
gehst hinter die Grenze.
Komm nimm meine Hand,
ich zeig sie dir.“

Staatenlos.


Diesen Liedtext findet man auch in meinem ersten Sammelband.
 

Dienstag, 2. Dezember 2014

Montag, 1. Dezember 2014

Weihnachten? (nach Joseph von Eichendorff)

Markt und Straßen sind gefüllt,
Licht blendet aus jedem Haus,
Sprintend hetz' ich durch die Gassen,
Alles sieht so hektisch aus.

An den Fenstern haben Frauen
Sale-Plakate grell geschmückt,
Tausend Kindlein quengeln lautstark,
Spielen immer mehr verrückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in's freie Feld,
Hehres Glänzen, viel Bedauern!
Verdrängt die Stille dieser Welt!

Sterne, hoch die Preise schlingen,
Vorbei ist's mit der Einsamkeit
Im 4/4 hör ich's klingen,
O du gnadenreiche Zeit!


zum Originalgedicht 


Diese Gedichtadaption findet man auch in meinem ersten Sammelband.